Glossar
Philosophische Texte sind voll von „Geheimbegriffen“. Wenn man anfängt, Philosophie zu studieren, dann klingt alles erstmal sehr schwer verständlich und unheimlich wichtig. Manche Philosoph*innen gefallen sich offenbar auch in der Rolle der Menschen mit dem Wissensvorsprung; als diejenigen, die möglichst viele komplizierte Wörter in einem Satz unterbringen können.
Das ist natürlich nichts als Eitelkeit! Der Gebrauch möglichst vieler komplizierter Wörter beweist übrigens nicht unbedingt ein besonders tiefgehendes Verständnis einer Thematik, sondern kann im Gegenteil ein Zeichen dafür sein, dass man gerade nicht richtig verstanden hat, worum es geht. Manchmal sollen Fachwörter nur überdecken, dass man eigentlich gar nicht weiß, wovon man redet.
Trotzdem sind Fachbegriffe wichtig. Wissenschaften, und die Philosophie zählt in dieser Hinsicht dazu, behandeln sehr spezielle Gebiete des Wissens und der Welt, die mit Alltagssprache nicht immer präzise zu erfassen sind. Denn die Wissenschaft entdeckt ja neue Dinge, die Philosophie analysiert und strukturiert unsere Sicht der Welt. Für diese Analyse braucht sie Begriffe, genauso für neu entwickelte Theorien und neu entdeckte Gegenstände.
Das heißt: Es braucht Fachbegriffe, es braucht das Verständnis für bestimmte theoretische Konzepte, um die Arbeit der Philosophie und vor allem ihre „Ergebnisse“ nachvollziehen zu können. Und auch manches Fremdwort erfasst präziser das Gemeinte als eine Umschreibung in Alltagssprache.
Ich versuche bei Philosophie für alle! durchaus, alles so greifbar und verständlich wie möglich zu formulieren. Gleichzeitig lassen sich nicht alle Fachbegriffe vermeiden, denn sonst würden der Philosophie ihre präzisen Werkzeuge fehlen. Außerdem glaube ich, dass es auch hilfreich sein kann, Stück für Stück philosophische Fachbegriffe zu lernen, um dann auch andere philosophische Texte oder Debatten besser verstehen zu können.
Ich versuche, auch in den einzelnen Texten, wenn ein Begriff besonders wichtig oder unklar ist, ihn direkt zu erklären (meist mit einer Infobox dazu). Aber vermutlich stolpert ihr trotzdem manchmal über unklare Begrifflichkeiten oder Unterscheidungen. Hier, in diesem Glossar, könnt ihr dann nachschlagen. Es ist unterteilt in Einzelbegriffe und Gegensatzpaare.
Gebt mir auch gern Bescheid, wenn euch ein Begriff in der Liste fehlt! Sie wird fortlaufend ergänzt.
Begriffe
A Priori
Der philosophische Terminus a priori ist stark durch Immanuel Kant (1724–1804) geprägt, der den Gegensatz a priori / a posteriori in seinem System eine zentrale Rolle gab. Wenn man heute von a priori spricht, meint man in der Regel die Bedeutung, die Kant ihr beimaß und das ist, grob gesagt: Vor der Erfahrung liegend. Erkenntnis a priori ist Erkenntnis, die wir erhalten können, ohne in die Welt zu schauen; die also aus dem Geist selbst kommt, nicht wandelbar ist und die die Grundlage für empirische Erkenntnis bildet. A posteriori ist hingegen Erkenntnis, die durch Erfahrung gewonnen wird; sie ist der Erkenntnis a priori nachgelagert.
Analytische Philosophie
Als Analytische Philosophie wird eine relativ breite Strömung der Philosophie im 20. Jahrhundert bezeichnet. Es handelt sich um eine Philosophie, in deren Zentrum die Annahme steht, dass sich viele philosophische Probleme lösen lassen, indem wir unsere Sprache und unsere Begriffe analysieren und klären.
Die Geschichte der analytischen Philosophie ist lang und beinhaltet auch sehr unterschiedliche Ansätze und Unterströmungen, aber gemeinsam ist den meisten eine ausgesprochen kritische Haltung gegenüber dem „Metaphysischen“. Die großen Begriffe der Philosophie (das Sein, das Nichts, das Wesen, die Substanz…), so die Überzeugung, lassen sich durch strenge Analyse entweder in handhabbarere, weltlichere Begriffe überführen, oder durch die Analyse lässt sich zeigen, dass diese Begriffe eigentlich sinnlos sind.
Entwickelt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, maßgeblich auch von den Vertretern des so genannten „Wiener Kreises“, dem unter anderem Ludwig Wittgenstein nahe stand, hat sich die analytische Philosophie immer weiter entwickelt und ist bis heute eine Tradition, der sich viele zeitgenössische Philosoph*innen nach wie vor zugehörig fühlen.
Anthropologie
Die Anthropologie ist die „Lehre vom Menschen“: ánthrōpos, griechisch: der Mensch. Es gibt in vielen Wissenschaften Teildisziplinen, die sich mit anthropologischen Fragestellungen befassen, denn natürlich werden Aspekte des Menschseins in vielen Wissenschaften erforscht. Auch in der Philosophie gibt es eine Teildisziplin, die philosophische Anthropologie, die sich mit der Frage nach dem „Wesen des Menschen“ befasst. Wenn also von „anthropologisch“ die Rede ist, dann ist gemeint, dass es hier um das (bzw. ein angenommenes) Wesen des Menschen geht. Ein „anthropologisches Argument“ zum Beispiel beinhaltet eine bestimmte Vorstellung vom Wesen des Menschen.
Wichtig ist vielleicht noch, dass AnthropoLOGIE nicht mit AnthropoSOPHIE verwechselt werden sollte: Die Anthroposophie ist eine spirituelle und esoterische Weltanschauung, gegründet von Rudolf Steiner. Sie hat nur am Rande etwas mit Philosophie zu tun und ist keine Wissenschaft – sondern eben eine Weltanschauung.
Empirisch
Empirisches Wissen ist Wissen, das auf Erfahrung beruht. Der Erfahrungsbegriff ist dabei weit gefasst. Es geht nicht nur um „persönliche Erfahrungen“, sondern um alles, was wir mit den Sinnen wahrnehmen können. Und sogar das (in einigen Naturwissenschaften sogar insbesondere das), was wir nicht mit unseren eigenen Sinnen, sondern mittels Gerätschaften, mit Hilfe von Messinstrumenten u.ä. „wahrnehmen“, ist in diesem Sinne Erfahrung und damit Teil von empirischer Forschung.
Wenn man einen so weiten Erfahrungsbegriff annimmt, arbeiten die meisten Wissenschaften empirisch, auch wenn sich die Methoden zum Teil sehr stark unterscheiden. Die einen nutzen Elektronenmikroskope, die anderen beobachten oder befragen Menschen. Häufig geschieht empirische Forschung in Form von Experimenten, d.h. kontrollierten Versuchsanordnungen. Empirische Forschung kann aber auch reine Beobachtung sein, ohne einzugreifen.
Was empirische Forschung von Alltagserfahrungen unterscheidet, ist die im Hintergrund stehende Theorie: Empirische Forschung erfolgt auf Grundlage einer Theorie, sie verwendet bestimmte Methoden, soll Thesen überprüfen – und ihre Ergebnisse können selbst wiederum in neue Theorien münden.
Epistemologie und Erkenntnistheorie
Epistemologie ist ein anderes Wort für Erkenntnistheorie. Sie ist eins der großen Gebiete der theoretischen Philosophie. Wie der Name schon sagt, befasst sie sich mit der Theorie der Erkenntnis: Was können wir wissen, wie können wir Wissen erlangen und wie können wir es absichern?
Im Hintergrund der epistemologischen Forschungen steht dabei meist eine skeptische Befürchtung: Könnte es sein, dass das, was wir für wahr halten, was wir zu wissen glauben, „in echt“ gar nicht wahr ist, sondern falsch oder sogar eine Täuschung (was, wenn uns ein höheres Wesen täuscht?)?
Das heißt, die Erkenntnistheorie befasst sich einerseits mit den ganz grundlegenden Fragen des Wissen-könnens. Aber sie befasst sich auch mit höherstufigen Fragestellungen, z.B. mit Werkzeugen des Schließens und der Rechtfertigung, die den Wahrheitserhalt gewährleisten sollen. Und auch Forschungs- und Wissenschaftstheorie gehören in den Kreis der Epistemologie, also Überlegungen dazu, wie Forschung so gestaltet werden kann, dass sie möglichst gut und dicht an die Wahrheit „herankommt“.
Ethik
Die Ethik ist eins der Hauptgebiete der praktischen Philosophie, mit einer langen, lebendigen Tradition seit der Antike. Es ist also kaum möglich, sie in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Daher hier nur die wichtigsten Eckdaten.
Die Ethik wird auch als „Moralphilosophie“ bezeichnet, denn sie befasst sich mit der Moral, mit Normen, also mit der Frage, was gut oder richtig ist – im Gegensatz zu anderen Gebieten der Philosophie, die sich fragen, was wahr ist und was wir wissen können. Dabei steht zum einen die Frage im Raum, wie ich mich in sozialen Situationen, gegenüber anderen Menschen, richtig verhalte – und wie ich mich mir selbst gegenüber richtig verhalte. Viele Ethiken ziehen hier eine Verbindung, etwa in der Art: Wenn ich andere Menschen belüge (o.ä.) ist das nicht nur falsch ihnen gegenüber, sondern beschädigt auch meine eigene Würde. In der Antike war diese Tradition noch einmal stärker, da ging es oft und viel um die Frage, was das „gute Leben“ ist. Und damit war gemeint: das moralisch gute und richtige Leben. Das beinhaltete in der Regel sowohl das Gute für mich, als auch das für meine Mitmenschen. Dabei geht es sehr viel um Lebensgestaltung, um die Gestaltung des Selbst: All das war allerdings ein Luxus, den sich nur die gebildete männliche bürgerliche Oberschicht der Antike leisten konnte.
Ethiken befassen sich damit, wie Leitnormen erarbeitet werden können und worin sie bestehen können; dabei können sie sich an Werten (wie „das Gute“, „Gerechtigkeit“) orientieren, aber auch an Verfahren (z.B. Aushandlungsprozesse). Außerdem ist es eine ethische Frage, wie der Mensch zu gutem Handeln fähig sein kann: Also wie ist das mit dem freien Willen, inwieweit sind wir für das Gute oder Schlechte unserer Handlungen verantwortlich? Es wird auch diskutiert, worauf man schaut: auf die Intention der Handelnden oder das Ergebnis der Handlung. Ist eine Handlung schlecht, nur weil die handelnde Person Böses im Schild führt? Oder geht es auch (oder sogar nur) darum, was „am Ende dabei herauskommt“?
Die Ethik ist übrigens voll von Gedankenexperimenten und moralischen Dilemmata. (Der Art: Was würdest du tun, wenn du durch dein Eingreifen zehn Menschen das Leben retten könntest, aber dafür den Tod einer anderen, unbeteiligten Person verursachen würdest?) Fragen, die zwar etwas plakativ sind, aber eben zeigen, wie relevant und schwierig es ist, ethische Fragen zu klären.
Eine Grundfrage und auch ein grundsätzliches Problem der Ethik ist, wie sie wissenschaftlich sein kann, wenn sie sich nicht mit der Beschreibung der Welt befasst, sondern mit der Setzung von Normen. Es ist unmöglich, von einer Beschreibung der Welt auf Normen zu schließen. Das wird auch „Sein-Sollen-Fehlschluss“ genannt: Es ist unzulässig, vom Sein auf das Sollen zu schließen! Eine Ethik kann also in diesem Sinne nicht empirisch oder rational begründet werden. Es ist allerdings durchaus möglich, rationale Argumente innerhalb ethischer Überlegungen anzuwenden: Etwa in der Überlegung, was geeignete Mittel sein können, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, z.B. Gerechtigkeit. Und hier kommen natürlich auch wieder empirische Aspekte ins Spiel, also Beobachtungen, wie Menschen handeln, was wie funktioniert, usw. Insofern ist die Ethik rational und empirisch informiert, kann sich aber nicht auf Argumentationen nach dem Muster berufen: Das und das ist die Wahrheit – deshalb ist das und das das richtige Handeln. Es muss immer eine normative Entscheidung oder Forderung hinzukommen, die die Wahrheit für ihre Umsetzung nutzt.
Ideologiekritik
Ideologiekritik ist Kritik an Ideologie. So weit, so logisch. Aber wie genau und warum?
Wenn der Begriff Ideologiekritik im philosophischen oder anderen geistes- und sozialwissenschaftlichen Zusammenhängen verwendet wird, dann bedeutet das immer einen Bezug auf die marxistische Tradition. Karl Marx (1818–1983) war ja nicht nur Sozialist, er war damit auch Philosoph und hat eine ganze Strömung der Philosophie, bis hin zu heutigen Vertreter*innen der „Kritischen Theorie“ (auch „Frankfurter Schule), geprägt. In dieser Tradition ist Ideologie „falsches Bewusstsein“ der Gesellschaft.
Die Idee dahinter ist die, dass gesellschaftliche Verhältnisse, Lebensverhältnisse und vor allem Herrschaftsverhältnisse das Bewusstsein und das Denken beeinflussen und dass damit ein gedankliches „Herauskommen“ aus den Verhältnissen schwierig ist. Ideologie wirkt herrschaftsstabilisierend.
Um nun bspw. die Ungerechtigkeit der Verhältnisse zu verstehen, muss das „falsche Bewusstsein“ entlarvt werden. Diese Aufdeckungsarbeit soll die Ideologiekritik leisten. Es geht darum, gesamtgesellschaftliche Täuschungen aufzudecken und auf diese Weise – das ist dann der philosophische Aspekt (neben dem politischen Impuls) – bessere Beschreibungen der Wirklichkeit, in diesem Fall vor allem der Gesellschaft, zu erarbeiten.
Kritische Theorie und Frankfurter Schule
Die Bezeichnungen Frankfurter Schule und Kritische Theorie bezeichnen die vielleicht wichtigste Strömung deutschsprachiger Philosophie des 20. Jahrhunderts und beziehen sich auf dieselben Theoretiker*innen: In der Frankfurter Schule wurde die Kritische Theorie entwickelt und wird sie bis heute betrieben.
Wichtigste Gründungsväter waren Theodor W. Adorno (1903–1969) und Max Horkheimer (1895–1973), der zentrale Ort war das Institut für Sozialforschung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Der wichtigste noch lebende Vertreter ist sicher Jürgen Habermas (*1929), aber es gibt auch jüngere Philosoph*innen, die die Tradition weiterführen. Als wichtigstes (Gründungs-)Werk gilt die von Horkheimer und Adorno verfasste „Dialektik der Aufklärung“ (1944). Seitdem haben sich natürlich theoretische Ansätze verschoben und je nach Lesart kann man das, was man als Kritische Theorie bezeichnet enger oder weiter auslegen.
Wichtig ist, dass sich die Kritische Theorie in die marxistische Tradition stellt, dabei aber undogmatisch vorgeht und daher durch ein breiteres philosophisches Spektrum inspiriert ist. Zentraler Bestandteil der Kritischen Theorie ist die Ideologiekritik und das heißt auch eine Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft.
Logik
Die Logik ist der formalste Teilbereich der Philosophie, fast ein bisschen wie die Mathematik der Philosophie.
Über die Jahrhunderte der Philosophiegeschichte hinweg hat sich der Begriff der Logik zwar verschoben, aber wenn wir heute von Logik sprechen, meinen wir zweierlei. Allgemeiner gesagt, besteht die Logik in den grundsätzlichen Denk-, Schluss- und Argumentationsregeln, die als Handwerkszeug der Philosophie verstanden werden können. Die Philosophie muss in ihrer Forschung und der Argumentation die Regeln der Logik befolgen.
Im Speziellen aber ist Logik, wie die Ethik oder die Metaphysik, eine Teildisziplin der Philosophie und kann genauer bestimmt werden als formale Logik. Diese bedient sich einer formalisierten Sprache, die die logische Form von Aussagen sichtbar macht und so die Untersuchung von Schlussfolgerungen auf ihre Korrektheit und Argumente auf ihre Wohlgeformtheit hin ermöglicht. Die formale Logik verwendet richtiggehend Formeln und man kann mit deren Hilfe Schlussfolgerungen wie mathematische Gleichungen aufschreiben und „lösen“. Durch diesen stark sprachanalytischen Zugang besteht eine Art natürlicher Verwandtschaft der Logik zur Sprachphilosophie.
Metaphysik / metaphysisch und Metaphysikkritik
Die Metaphysik ist einer der ältesten und traditionellsten Teilbereiche der Philosophie und ihr grundlegendster. Sie befasst sich mit der grundsätzlichen Verfasstheit der Welt, Aristoteles (384–322 v. Chr.) nannte sie „erste Philosophie“. Entsprechend vielfältig ist ihre Geschichte seit der griechischen Antike. Sie stellt Fragen wie: Woraus besteht die Welt? Verändert sie sich und wenn ja, wie genau? Wie ist sie entstanden? Ist sie ewig oder endlich? Wie hängen Stoff und Form zusammen, wie Geist und Materie? Welche Rolle spielen wir als denkende Wesen in all dem? Und wie sind die Dinge in der Welt zu ordnen, was ist was – und woher können wir das wissen? (Also zum Beispiel: Was macht einen Baum zum Baum, und wie kann ich das prüfen? Und wie hängt der Baum mit den anderen Dingen in der Welt zusammen?)
Metaphysische Fragestellungen sind also Fragen, die auf diese grundsätzliche Ebene der Verfasstheit unserer Welt abzielen; es sind sehr sehr grundsätzliche Fragen.
Gleichzeitig ist „metaphysisch“, insbesondere im 20. Jahrhundert, in der Philosophie auch zu einer Beleidigung geworden, einer abwertenden Bezeichnung für Fragen, die sich (angeblich) mit quasireligiösem Hokuspokus aufhalten, oder mit Wortspielereien, anstatt die „richtigen“ Probleme der Philosophie anzugehen.
Metaphysikkritik ist ein großes Thema der Philosophie, spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Und die Kritik ist berechtigt. Philosophie kann so sein: Sich in komplizierten Großbegriffen verlieren, einer hehren, abgehobenen Idee von „Wahrheit“ hinterherjagen, ohne darüber Rechenschaft abzulegen, ob jemals eine Lösung dieser Fragestellungen in Sicht sein würde – und ohne Bezug zu unseren alltäglichen Begegnungen mit der Realität.
Die Metaphysikkritik, die in ganz unterschiedlichen philosophischen Strömungen des 20. Jahrhunderts eine Rolle spielt, kann in zwei Richtungen gedeutet werden. Erstens kritisiert sie die klassischen metaphysischen Vorstellungen, die sich seit Platon (ca. 428–347 v. Chr.) in ihren Grundsätzen nicht geändert haben. Oder, wie es der britische Philosoph Alfred North Whitehead (1861–1947) in einem berühmten Zitat einmal ausdrückte: Die europäische Philosophiegeschichte bestehe aus „einer Reihe von Fußnoten zu Platon“ (aus „Process and Reality“, 1929). Kritik, die die konkreten Metaphysiken der Philosophiegeschichte in Frage stellt, kann dabei durchaus selbst wieder metaphysische Annahmen machen, das heißt: andere grundlegende Annahmen über die Grundsätze der Realität gegen die kritisierten Vorstellungen stellen.
Die andere Richtung der Metaphysikkritik richtet sich gegen die Vorstellung solcher grundsätzlichen, metaphysischen Annahmen per se. Das heißt, sie richtet sich gegen die Möglichkeit (oder den Sinn) metaphysischer Überlegungen überhaupt. Wenn man es genauer betrachtet, haben beide Richtungen der Philosophiekritik viel gemeinsam und sie werden auch oft gar nicht sorgfältig unterschieden. Es ist mir trotzdem wichtig, zu betonen, dass die Kritik an „der Metaphysik“ oft bedeutet, dass eine bestimmte Ausprägung von Metaphysik abgelehnt wird. Nicht selten werden als Alternative andere, nicht minder grundsätzliche Überlegungen angeboten, die ebenfalls, in ihrer Grundsätzlichkeit und ihren Aussagen über die Grundstruktur der Realität, als metaphysisch bezeichnet werden können.
normativ
Mit normativ ist gemeint: die Normen betreffend. Also Handlungsregeln, das, was ich tun soll. Normative Aussagen beinhalten immer eine Stellungnahme zum richtigen Handeln. Sie stehen damit in Opposition zu beschreibenden Aussagen, die sagen wollen, was ist. Aussagen des normativen Bereichs können nicht wahr oder falsch sein. Stattdessen können sie richtig oder falsch sein. Es geht hier also nicht um Wahrheit, sondern um Richtigkeit.
Zum Beispiel: Wenn ich fordere, man solle keine Menschen töten, dann sage ich: „Es ist richtig, keine Menschen zu töten.“ Hingegen wäre „Es ist wahr, keine Menschen zu töten.“ in diesem Zusammenhang keine sinnvolle Aussage.
Ontologie
Ontologie ist die „Lehre vom Seienden“ und die „Lehre vom Sein“. Sie ist ein Teilbereich der Metaphysik, manchmal wird der Begriff Ontologie aber auch als ein anderes Wort für Metaphysik verwendet. Von der Bedeutungsrichtung her bezieht sich die Ontologie weniger auf strukturelle Fragen der Realität, oder auf Wahrheits- und Wissensbeziehungen, auch weniger auf die Rolle des Menschen. Im Fokus steht bei der Ontologie die Frage des Seins, seiner Position in der Realität und seiner inneren Strukturierung. Also: Was gehört zum Sein, was bedeutet es, seiend zu sein, wie ist das Seiende unterteilt, in verschiedene Seinsbereiche? Usw.
Wenn von „ontologischen Fragen“ die Rede ist, dann ist damit etwas in diese Richtung gemeint: Fragen über das Existierende, die Ordnung des Seienden und Ähnliches.
Skeptizismus
Als skeptisch wird eine Position bezeichnet, wenn sie etwas, das sich ihr zeigt, in Frage stellt. Zum Beispiel der skeptische Blick des Gegenübers, wenn jemand eine (offensichtliche) Lüge erzählt.
Als skeptisch in philosophischer Hinsicht werden Einstellungen bezeichnet, die unser Wissen in Frage stellen. Positionen sind skeptisch, wenn sie bezweifeln, dass das, was wir zu wissen glauben, sicher ist. Skeptizismus bedeutet vor allem, in Frage zu stellen, ob sicheres Wissen überhaupt möglich ist. Er geht davon aus, dass es zwar eine Realität gibt, die wir erforschen, aber dass wir nie sicher sein können, ob unsere Forschungsergebnisse, also das, was wir als wahr verstehen, wirklich wahr ist – oder nur Täuschung.
Es gibt Abstufungen des Skeptizismus. Die Extremposition wäre, davon auszugehen, dass wir niemals und unter keinen Umständen sicher sein können, ob unser Überzeugungen wahr sind. Die meisten Positionen sind moderater. Oft wird der Skeptizismus auch als argumentativer Aufhänger genutzt, um bestimmte Positionen zu begründen; also als Ausgangspunkt für eine Argumentation, die schlussendlich einen Ausweg aus dem Skeptizismus bietet. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das cogito-Argument von René Descartes (1596–1650). Mit dem Ausspruch cogito ergo sum (Ich denke, also bin ich) fand er einen Satz, den wir nicht sinnvoll bezweifeln können. Denn wenn hier jemand denkt, muss er auch existieren. Da diese Existenz somit nicht zu bezweifeln ist, kann sie ein Fundament bieten für weitere philosophische Überlegungen, die nicht durch den Skeptizismus gefährdet sind.
Transzendenz
Transzendenz ist einer der unklareren Begriffe der Philosophiegeschichte, noch unklarer, bzw. vielgestaltiger ist das, was mit transzendental und Transzendentalphilosophie bezeichnet werden soll. Alle diese Begriffe wurden im Laufe der Philosophiegeschichte wiederholt benutzt und definiert und haben ganz unterschiedliche Bestimmungen zugemessen bekommen. Transzendental und Transzendentalphilosophie sind auf jeden Fall sehr grundsätzliche und metaphysische philosophische Begriffe.
Um aber auf die Transzendenz zurückzukommen: Immer, wenn von Transzendenz die Rede ist, handelt es sich um eine „Übersteigungsfigur“. Beispielsweise, das ist eine gebräuchliche Bedeutung, wird das sinnlich Wahrnehmbare im Transzendenten überstiegen, es geht darüber hinaus.
Wissenschaftstheorie
Die Wissenschaftstheorie ist ein Teil der Philosophie. Zugleich ist die Theorie der einzelnen Wissenschaften – z.B. der Physik – auch jeweils Teil der Einzelwissenschaft. Die Wissenschaftstheorie bildet eine Art Schnittstelle zwischen der Philosophie und den Einzelwissenschaften. Sie befasst sich mit grundsätzlichen Fragen der Forschung: Wie kann Wissen abgesichert werden, wie ist wissenschaftlicher Fortschritt zu verstehen, wie geht er vonstatten? Aber auch: Wie ist die Erkenntnisfähigkeit der verschiedenen Wissenschaften definiert und einzuordnen, wie unterscheiden sich in dieser Hinsicht die Disziplinen, was macht Wissenschaftlichkeit aus?
Wissenschaftstheorie berührt also epistemologische, wahrheitstheoretische und metaphysische Fragestellungen ebenso wie methodologische und strukturelle Fragen der Einzelwissenschaften. Auch gesellschaftspolitische Fragen können in der Wissenschaftstheorie eine Rolle spielen, sodass auch eine Verwandtschaft zu den Sozialwissenschaften besteht.
Gegensatzpaare
Konstruktivismus / Realismus
Die Philosophiegeschichte ist durchzogen von Gegensatzpaaren. Interessanterweise ähneln sich diese Gegensätze manchmal sehr und es erscheint ein bisschen wie eine Wellenbewegung, welcher Teil des Gegensatzpaares gerade im Diskurs die Oberhand hat. Ein gutes Beispiel für solche Paare ist der Gegensatz Konstruktivismus / Realismus. Er tritt nicht immer unter demselben Namen auf, aber inhaltlich gibt es Wiederholungen.
Konstruktivismus und Realismus sind erkenntnistheoretische Grundentscheidungen: Während der Realismus davon ausgeht, dass wir die Realität grundsätzlich erkennen können, und zwar mehr oder weniger direkt (hier gibt es natürlich Abstufungen und verschiedene Ansätze und Formen), gehen der Konstruktivismus und die mit ihm verwandten Ansätze davon aus, dass Erkenntnis eine menschliche Konstruktion ist und dass daher (direkte) Erkenntnis nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Der Realismus verfolgt also eine tendenziell optimistische Erkenntnisposition, wohingegen der Konstruktivismus gegenüber der Möglichkeit sicherer Erkenntnis eher pessimistisch eingestellt ist und so mit dem Skeptizismus verwandt ist.
Allerdings liefert der Konstruktivismus, im Gegensatz zum Skeptizismus, nicht automatisch eine Bewertung seiner Position. Während der Skeptizismus „unsichere“ Erkenntnis zum Problem erklärt, stellt der Konstruktivismus erst einmal eine Grundannahme dar, die darin besteht, dass die Realität nicht einfach und direkt erkennbar ist, sondern dass der Faktor Mensch bei der Erkenntnis eine zentrale Rolle spielt und dass daher jede „Erkenntnis“ auch nach ihren Herkunftsbedingungen befragt werden sollte. Konstruktivismus bedeutet also nicht unbedingt Skeptizismus, denn der*die Konstruktivist*in kann den konstruierten Charakter von Erkenntnis durchaus auch positiv bewerten.
Kontinentale / angloamerikanische Tradition
Die Unterscheidung zwischen der kontinentalen und der angloamerikanischen philosophischen Tradition ist eine im 20. Jahrhundert beliebte Einteilung zeitgenössischer Philosophien. Gemeint ist damit einerseits die kontinentaleuropäische, insbesondere französische und deutsche Philosophie, zu deren bekannten Ansätzen Phänomenologie, Kritische Theorie, Existenzialismus, (Post)Strukturalismus und Dekonstruktivistismus gehören. Auf der anderen Seite stehen mit der angloamerikanischen Tradition britische und US-amerikanische Philosophien, die stark durch den logischen Empirismus und insbesondere die analytische Philosophie geprägt sind.
Allerdings ist es hier wie so oft: Je mehr man sich nähert, desto unklarer wird die Lage. Denn natürlich ist es insbesondere in Zeiten zunehmender Vernetzung immer weniger sinnvoll, von isolierten Traditionslinien auszugehen. Vielmehr gab es seit Beginn des 20. Jahrhunderts transatlantischen Austausch, der sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Emigrationsbewegungen (insbesondere die Flucht vor dem NS-Regime aus Europa in Richtung USA) und in der zweiten Hälfte durch immer bequemere Kontakt- und Reisemöglichkeiten zunehmend intensivierte. Es ist auch witzig, dass mit Ludwig Wittgenstein (1889–1951) ein Philosoph aus Wien (der allerdings seine philosophische Ausbildung weitestgehend in England erhielt und auch vornehmlich dort philosophisch tätig war) als einer der wichtigsten Vertreter der analytischen Philosophie gilt.
Es trifft zwar zu, dass sich im Laufe der Zeit lokale und auch nationale philosophische Traditionen entwickelt haben und nach wie vor kann man bestimmte Strömungen an bestimmten Universitäten besonders gut studieren. Auch ist der philosophische Gesamtdiskurs in verschiedenen Ländern unterschiedlich geprägt. Aber insgesamt ist in den letzten Jahrzehnten eher von einer grundsätzlich sehr starken Ausdifferenzierung aller möglichen philosophischen Richtungen zu sprechen, die sich auch in verschiedene Traditionen einordnen lassen – aber es gibt auch Austausch, Überschneidungen, Inspirationen.
Die Frage „Kontinentale oder angloamerikanische Tradition?“, die sich im Grunde übersetzen ließe in „Analytische Philosophie – ja oder nein?“, kann eine grobe Orientierung im Dickicht der zeitgenössischen philosophischen Strömungen bieten. Insofern ist sie auch noch nicht überholt. Aber um eine Philosophie wirklich zu verstehen und weiterzudenken, kann es irreführend sein, sie auf eine Traditionslinie reduzieren zu wollen. Womöglich übersieht man dann wesentliche Aspekte.
Systematische / historische Philosophie
Es gibt zwei grundsätzliche Herangehensweisen an die Philosophie: die systematische und die historische. Während die historische Philosophie historische Positionen berühmter Philosoph*innen herausarbeitet und interpretiert, erarbeitet die systematische Philosophie „systematisch“ angeleitete Positionen zu Problemstellungen. Dabei kann sie sich selbstverständlich der historischen Vorbilder bedienen und sollte auch sehr darauf achten, diesen mit der eigenen Interpretation nicht Unrecht zu tun. Es geht dem systematischen Ansatz aber nicht primär darum, z.B. Kant richtig und vollständig zu verstehen. Vielmehr will er eine überzeugende Antwort auf eine eigenständige Fragestellung erarbeiten.
Die Philosophiegeschichte zu verstehen, ist dabei auch für die systematische Philosophie sehr hilfreich. Und auch sorgfältige historische Philosophie kann aus einem systematischen Interesse heraus praktiziert werden. Es gibt also Überschneidungen und die meisten ernst zu nehmenden Philosoph*innen beherrschen beide Seiten des Handwerks. Es kann aber hilfreich sein, sich dieser Unterscheidung bewusst zu werden, um philosophische Texte einerseits einordnen zu können, und andererseits um im eigenen Denken nicht die Ebenen zu vermischen zwischen: Was wollte Kant sagen – und was will ich herausfinden?
Theoretische / Praktische Philosophie
Theoretische und praktische Philosophie sind die beiden großen Teilgebiete, in die die Philosophie zur Orientierung unterteilt wird. Diese Unterscheidung hat eine lange Tradition, aber ihre Details sind nicht so wichtig. Wichtig ist, dass es sich hierbei nicht um zwei Arten des Denkens handelt – also einmal Theorie, einmal Praxis –, sondern dass sich die Bezeichnungen theoretisch und praktisch auf die erforschten Gebiete beziehen: Zur theoretischen Philosophie gehören die grundlegenderen Gebiete wie Logik, Metaphysik, Erkenntnistheorie. Zur praktischen Philosophie das, was stärker menschliches Handeln betrifft, also Ethik, politische Philosophie, Rechtsphilosophie, usw.
Man kann die Unterscheidung auch so fassen: Die theoretische Philosophie hat einen mehr beschreibenden Charakter (sie will herausfinden, was ist), während die praktische Philosophie in den Bereich des Normativen ausgreift, also darüber nachdenkt, was sein soll. Selbstverständlich ist aber auch hier eine scharfe Trennlinie kaum zu ziehen und ausgearbeitete Philosophien, die jeweiligen „Gesamtwerke“ der großen Denker*innen, können sich nicht auf ein Teilgebiet beschränken, sondern müssen in der Regel Fragen der theoretischen wie der praktischen Philosophie einbeziehen.
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