Ein paar Worte zum Thema „Gendern“…
… und wie ich das hier auf der Website handhabe:
Menschen haben Geschlechter und in der Sprache finden sich ebenfalls Geschlechter. Beides muss nicht miteinander übereinstimmen. Beim generischen Maskulinum zum Beispiel können auch Frauen gemeint sein. („Die Lehrer an dieser Schule“ – das Kollegium kann durchaus aus Männern und Frauen, sogar mehrheitlich aus Frauen bestehen.)
Und dann gibt es noch das grammatikalische Geschlecht – der Mond, die Sonne, das Glas – das hat gar nichts mit menschlichen Geschlechtern zu tun, sondern ist ein grammatikalisches Regelwerk, das zwar auch angewandt wird, wenn man über Menschen spricht, aber eben weit darüber hinaus geht. Daher ist der abgedroschene Witz über die Feministin, die nach einer „Salzstreuerin“ verlangt, auch Blödsinn, weil er zwei sehr verschiedene Konzepte miteinander vermischt.
Bei der Debatte um’s Gendern geht es nur um das „echte“ Geschlecht, nicht um das grammatikalische, besser gesagt, um generische Formen, meist die männliche, die benutzt werden, um Menschen zu bezeichnen. Da werden also Gruppen von Menschen – sozusagen der Einfachheit halber – mit einem Geschlecht angesprochen, das nicht unbedingt dem realen Geschlecht der einzelnen Mitglieder entsprechen muss.
Diese Gepflogenheit ist zunächst einmal praktisch: Man muss sich keine Gedanken darüber machen, welches Geschlecht die Lehrer(innen) einer Schule haben und kann sie einfach als Gruppe „die Lehrer“ ansprechen. Das Geschlecht „verschwindet“ sozusagen in einer meist männlichen Form.
Das Problem ist aber: Das Geschlecht verschwindet nicht wirklich. Sprache soll unsere Wirklichkeit abbilden und zugleich erschafft sie ja Bilder im Kopf. Es gibt inzwischen zahlreiche Belege dafür, dass wir uns, wenn das generische Maskulinum die Regel ist, auch eher Männer vorstellen als Frauen. Und das ist auch nur folgerichtig: Im Patriarchat ist das Männliche die Norm, das Weibliche ist das „Andere“, die Abweichung.
Insofern ist Sprache, wenn wir es mit der Gleichberechtigung der Geschlechter ernst meinen, nicht unwichtig. Man kann noch so sehr die Bürgerinnen mitmeinen – wenn man nur „Bürger“ sagt, erschafft man trotzdem in den meisten Fällen Bilder von Männern in den Köpfen der Zuhörenden.
Mein Anspruch an Sprache ist nicht, die Realität immer korrekt abzubilden. Vielmehr verfolge ich den emanzipativen Ansatz, mit meinem Sprechen die Welt mitzuformen – denn Sprache formt unsere Wahrnehmung und damit auch die Realität. Auch wenn also noch immer die allermeisten von ihnen Männer sind, lohnt es sich doch, von Maurer*innen zu sprechen – um zu zeigen, dass das nicht so sein muss. Frauen können dieses Handwerk ebensogut erlernen und ausüben und es ist nicht schon durch die Berufsbezeichnung vorgegeben, dass sich eher junge Männer für diesen Beruf entscheiden sollten als junge Frauen.
Formen des Genderns
Dass Sprache Bewusstsein formt und daher sensibel verwendet werden muss, steht für mich außer Frage. Daher bemühe ich mich um eine Ausdrucksweise, die möglichst offen dafür ist, dass sich möglichst viele Menschen durch sie repräsentiert fühlen. Idealerweise fühlen sich nicht nur männliche und weibliche Personen gemeint, sondern ebenfalls Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen.
Die so genannte Sternchen-Schreibweise (Arbeiter*innen) nutze ich besonders gern, denn sie erfüllt diese Kriterien und in vielen Fällen ist sie die eleganteste Lösung. Das Sternchen soll darauf hinweisen, dass es neben Arbeitern und Arbeiterinnen auch Menschen geben kann, die sich außerhalb dieser binären Geschlechterunterscheidung verorten.
Eine andere Möglichkeit ist, eine Schreibweise zu nutzen, die gar nicht auf das Geschlecht hinweist. Das ist je nach Wort manchmal eleganter, manchmal weniger schön. Häufig kann man das über die Substantivierung von Partizipien oder Adjektiven erreichen, z.B.: die Studierenden, die Werktätigen. Hier besteht die Hoffnung, dass durch die Neutralität des Ausdrucks, sich alle mitgemeint fühlen, denn kein Geschlecht ist explizit genannt (wohingegen die Sternchen-Schreibweise alle Geschlechter nennen will). Diese Ausdrucksweise beinhaltet die Vorstellung, dass das Geschlecht ein weniger wichtiger Faktor zur Definition eines Menschen ist als seine Tätigkeit.
Das ist eine Möglichkeit: Sprache so zu verwenden, dass sie möglichst niemanden ausschließt. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass die männliche Norm so tief in unsere Sprache eingegraben ist, dass man sie kaum vollständig vermeiden kann. Das für mich nicht zu ersetzende „man“ hat sich aus dem Substantiv „Mann“ entwickelt. Manchmal wird dann „mensch“ als Alternative verwendet, aber das ist aus feministischer Sicht Quatsch, denn auch das Substantiv „Mensch“ stammt von „Mann“. Es ist also vielleicht sinnvoll, zunächst einmal anzuerkennen, dass wir unsere Sprache nicht vollständig von ihrer Geschichte befreien können.
Daher finde ich es sinnvoll, Sprache bewusst kreativ einzusetzen und Denkprozesse anzustoßen. Ich kann versuchen, möglichst inklusiv zu sprechen. Ich kann aber auch z.B. manchmal bewusst das generische Femininum nutzen, also von Bürgerinnen sprechen, wohl wissend, dass ca. die Hälfte der Bevölkerung männlich sind. Solche Ausdrucksweisen stiften vermutlich kurz Verwirrung, bewirken ein kurzes Innehalten. – Ebenso übrigens wie die Sternchen-Schreibweise beim Lesen kurz die Aufmerksamkeit auf das Thema „Gender“ lenkt.
Und genau das scheint mir nützlich zu sein für den emanzipativen Kampf. Dieses kurze gedankliche „Stolpern“, das uns bewusst macht, dass das Geschlecht nicht gesetzt ist, nicht neutral ist. Dass nach wie vor Frauen gesellschaftlich unterrepräsentiert sind (von nichtbinären und Trans*-Personen ganz zu schweigen), dass nach wie vor keine Gleichberechtigung herrscht und dass wir nicht immer zuerst an (Cis)Männer denken sollten, wenn wir „Menschen“ denken.
Daher benutze ich in meinen Texten verschiedene Arten des „Genderns“ bewusst gemischt, je auch nach Adressat*innenkreis. Oft entscheide ich mich für die Sternchen-Schreibweise, aber manchmal erscheint mir eine andere Art der Ansprache und des Bewusst-Machens der Gender-Problematik sinnvoller. Gerne komme ich dazu auch mit euch ins Gespräch.
Was bringt es?
Tatsächlich ist Sprache – Überraschung! – nicht das Einzige, was Realität formt. Stereotype entstehen zu einem Großteil durch Erfahrungen in der Welt. Selbst wenn wir sehr gendersensibel sprechen, machen Kinder ja doch die Erfahrung, dass z.B. in den Kindertagesstätten und in anderen pflegenden und sorgenden Berufen vor allem Frauen tätig sind und dass viele handwerkliche und technische Berufe überwiegend von Männern ausgeübt werden. Und ihr soziales Umfeld lebt ihnen vor, was sie dann als „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ abspeichern. Auch das prägt natürlich ihre Vorstellung davon, wie sie sich als Mädchen oder Junge, als Frau oder Mann, verhalten sollen und welche beruflichen Optionen ihnen offen stehen.
Daher reicht es nicht aus, auf die Sprache zu achten. Wir müssen auch die Welt verändern. Ich finde, da sind wir, trotz allem, in den letzten 100 Jahren einen großen Schritt weiter gekommen – auch wenn wir noch lange nicht bei Gleichberechtigung angekommen sind. Zumal es ja vielfältige Aspekte von Diskriminierung gibt und Geschlecht bei weitem nicht das einzige Kriterium dafür ist – auch hierfür besteht glücklicherweise inzwischen ein größeres Bewusstsein, auch wenn dort ebenfalls noch ein weiter Weg zu gehen ist.
Dennoch ist Sprache nun einmal mein Werkzeug. Also werde ich weiter daran arbeiten, es so zu benutzen, dass es möglichst viele Menschen anspricht und möglichst wenige ausschließt.
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